„Ich versuche, nicht mehr an all das zu denken“

14. Oktober 2009

Die Geschichte von Pierrette, 15 Jahre

Pierrette weiß nicht genau, wie alt sie ist. Schüchtern schlägt sie „ungefähr 15“ vor. Sie wurde von bewaffneten Männern entführt, die sie zwei Monate lang gefangen hielten. Sie wurde zu einer so genannten „Zwangsfrau“, mit der Männer ihre Nächte verbringen.

„Vor zweieinhalb Monaten wollte ich auf dem Feld arbeiten. Ich war mit meiner Mutter und der Frau meines Bruders zusammen. Die Männer kamen plötzlich aus dem Wald – es waren viele, und sie waren bewaffnet. Sie waren aggressiv. Sie zwangen uns, mit in den Wald zu kommen. Meine Mutter und meine Schwägerin ließen sie gehen, mich aber nahmen sie mit in den Wald.

Dies war der Beginn der etwa zweimonatigen Gefangenschaft von Pierrette im dichten Tropenwald inmitten eines bewaffneten Konfliktes. „Tagsüber liefen wir viel. Wir trugen Reis, Erdnüsse, Salz. Nachts schlief ich mit einem Mann. Es war immer derselbe. Am Tag kam es vor, dass mich andere schlugen. Er tat dann so, als würde er mich nicht kennen. Den Tag über verbrachte er mit einer anderen Frau, einer Mutter mit Kindern. Nachts aber schlief er mit mir.“

„Diese Männer brachten Menschen in meiner Nähe um. Ich hatte Angst, aber wir durften nicht weinen. Wenn wir weinten, schlugen sie uns auf den Rücken“, erzählt Pierrette. Sie zeigt die Narben, die zickzack über ihren Rücken und ihre Füße gehen. „Es gab andere Menschen, die mit mir weinten. Sie sprachen „Zande“ wie ich. So konnten wir miteinander sprechen, auch wenn wir uns nicht kannten.“

Nach zwei Monaten gelange es Pierrette zu fliehen. Sie kam zum Gesundheitszentrum und wurde dann ins Krankenhaus überwiesen, wo sie Medikamente und Nahrung erhielt. Dort sprach sie mit einer Psychologin von Ärzte ohne Grenzen.

„Ich versuche, nicht mehr an all das zu denken“, sagt  Pierrette. „Ich verdränge es aus meinem Kopf. Ich spreche mit niemandem darüber. Aber als meine Mutter mir Fragen stellte, habe ich ihr alles gesagt. Als ich alles erzählt hatte, was passiert war, weinten meine Mutter und mein Vater.“